Donnerstag, 1. März 2007
Mit offenen Augen wegsehen

Heute abend startet Germany's next Topmodel in die zweite Runde - menschenunwürdige Fleischbeschauung á la carte. Dünne Mädchen werden vor den Augen und Ohren der Nation als "zu dick für die Show" abgestempelt.

Persönlichkeit? Das gewisse Etwas? Wer's glaubt! Wenn zwölf Skelette über den Laufsteg staksen, zählt nur das Äußere. Natürlich verkauft das Format sich mit Schlagworten wie Personality besser. Diese leeren Worte, die für kleine naive Mädchen ganz beeindruckend klingen mögen, bleiben trotzdem nicht mehr als ein Vorwand. Persönlichkeit haben die Mädchen sicher alle, nur fällt das gar nicht auf, wenn sie so gut wie nichts tragen und letztendlich alle gleich aussehen. Dann zählt nur noch, welche am wenigsten Speck auf den Hüften hat.

In einer Gesellschaft, in der Oberflächlichkeit und Äußerlichkeiten vorherrschend sind, braucht man alles andere als Model-Castings, die vor den Augen der Öffentlichkeit den Schlankheitswahn nur noch mehr propagieren. Anscheinend sind 100.000 Magersüchtige und 600.000 bulimische Menschen hierzulande noch nicht genug. Zu kratzen scheint das keinen. Die Einschalt-Quoten stimmen, die Massen werden unterhalten und zigtausende junge Mädchen haben jetzt ein Vorbild, das ihnen in dieser Gesellschaft den "richtigen" Weg weisen kann.

Für die 15 Prozent der betroffenen Menschen, die jährlich allein in Deutschland an den Folgen einer Magersucht sterben, fühlt sich am Ende keiner verantwortlich. Die ProSieben-Bosse nicht und auch nicht die Gesellschaft. Und schon gar nicht Heidi Klum. Aber alle haben mit offenen Augen weggesehen.

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